2015-09-07

Besuch beim Käptn

Wochenendflucht 


Am Wochenede Dorfflucht. 
Dreifachparties im Dorf, rechts + links + gegenüber. 
Nix wie weg.
Und wohin?
Ans rauschende brausende Meer.
Diesmal nicht Rügen, nicht Lübecker Bucht, sondern Usedom.
Dort rauscht und braust nicht nur das Meer, sondern auch der Wahnsinnsurlauberverkehr. Immer noch. Trotz Saisonende. 
Aber ich wollte dort hin. Käptn`s diesjährige Ausstellung sehen.
Vorher Abendessen im Sonnenuntergang am Meer. 
Dann Autokino mit viel Action unter großem klaren Sternenhimmel
Endlich laut Popkorn schmatzen, Rotwein schlürfen können, Kommentare zum Film abgeben, Sitzlehne bequem zurückstellen - herrlich.
"Mission impossible". Tom Cruise - Superheld mit Humor. 
Schlafen im Wohnwagen. Charme der DDR - 70er. 


Wir - fast ganz alleine auf dem Platz.
Links Autokrach, rechts Autokrach, von oben Sturzregengeprassel + Orkangetöse. 
Und zum Frühstück frische Brötchen, Sonnenschein + Sturm.  


Was für ein Licht am Meer, was für ein Wolkentheater. 
Gezeichnet hätte ich gerne, die Windkinder aber hatten mit Papier + Stiften etwas anderes vor. 
Dafür hat mir das Meer einen Möwenflügel geschenkt. 
Für ein fliegendes Objekt vielleicht. Das widme ich dem zerfetzten Vogel.
Am Strand entlang, nach vielleicht 400m, kamen wir zu Käptn`s Abgang. 


Würde er noch leben, käme er wohl nicht mehr über die Straße. Bräuchte eine eigens für ihn aufgestellte Ampel.
Schön ist sein Garten + wunderbar schmecken die Birnen, die der Baum uns zu Füßen legte. 
Da steht noch die große alte Ernteleiter. Ob die wohl noch jemand benutzt? 

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„Obstgarten mit Leiter“, 1968/69,
Öl auf Lwd. 81,0 x 100,0 cm, WV 1854

Weil wir am ersten Sonntag im Monat zum Käptn kamen, gab es den Eintritt für Haus + Garten + Atelier für kleinen Preis.
Des Malers Geist schwebt noch immer durch die Räume, wenn auch nicht mehr so stark. 
Zuviel Veränderung, zuviel fremde Luft, dazwischen gedrängte Zeit. 
Den Duft seines starken Kaffees in der "Kaffeteria" rieche ich nicht mehr. 
Seine Stimme höre ich immer noch: 'Hast mir was mitgebracht? Wenn du mir nichts zeigst, zeig ich dir auch nichts.' Dabei hat er verschmitzt gelächelt und mir doch seine Bilder gezeigt. Er hatte wohl gespürt, daß ich vor Ehrfurcht + Schüchternheit nichts zum ansehen hatte. 
Dafür aber musste ich Modell sitzen. Da hat er mit Stiften das Papier maltretiert. 
Geschimpft + geflucht: 'dich kann ich nicht zeichnen'. hats zerknüllt + auf den Boden geworfen.
So bin ich vom Käptn zwar nicht verewigt, aber fortan musste ich nicht mehr still sitzen, sondern durfte mit ihm zeichnen.
Oder wir trinken Tee und er sagt: 'Das da ist mein Haus und das ist das Haus meiner Frau. Dazwischen der Waggon - Trennung und Verbindung. Guck nich so. Ehebetten machen die Ehe kaputt'. 
Wie recht er hatte. Damals, da war ich 20 Jahre alt, verliebt + verstand nicht, wovon er sprach.
Einmal kamen wir ihn besuchen. Er klagte:  'Ich war krank im Winter. Ganz schrecklich krank'. 
Wir sahen ihn schon am Tod vorbeischlittern. 
Wie er sich ergötzte an unseren ängstlichen Gesichtern. 
Dann blitzten seine Augen: 'Ich hatte Aquarellitis'. Und zeigte uns seine neuesten Arbeiten.
Fast wäre ich des Käptn Schülerin geworden. 'Kannst hier wohnen und mit mir malen, von mir lernen. 
Mußt nur meiner Frau im Haushalt helfen'. Sagte er Haushalt?
Auf Haushalt hatte ich keine Lust. Ich sah mich in Kittelschürze mit Lappen + Wischeimer, mit Pinseln, die vor Erschöpfung aus der Hand fallen würden. 
Haushalt machen versetzte mich in Panik. 
Verpasste Chance. 

Vorbei die Tage, als ich noch ganz alleine durch den Garten gehen konnte. 
Jetzt ist überall Mensch.
Das Auge + die Seele freut es dennoch.


Auf das Grab in Benz habe ich ihm eine Birne aus seinem Garten gelegt. 
Vielleicht wächst ja ein Baum daraus. 
Das Grab sieht recht traurig aus. Ein Birnbaum aber wäre schön dort. 
Jetzt gehe ich in mein Sommeratelier + male Käptn`s Birnen. 
Vielleicht freut es ihn da oben.



Käptns Beern




Fotos: Ada + Gerald

 http://www.atelier-otto-niemeyer-holstein.de/

Ausstellung vom 16. April bis 18. Oktober   
„Otto Niemeyer-Holstein – Im Garten der Bilder“




Freitag, den 23. Oktober 2015, 17.00 Uhr
Ausstellungseröffnung 

 „Horst Leifer – Otto Niemeyer-Holstein“

24. Oktober 2015 – 10. April 2016 

geöffnet Mi, Do, Sa, So 10.00 – 16.00 Uhr


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