Heute vor 90 Jahren wurde
Yayoi Kusama - Princess of Polka Dots -
FRANKFURTER ALLGEMEINE
vom 22.3.2019
Künstlerin Yayoi Kusama
:
Im Turm der roten Punkte
Von
Stefan Trinks
Sie ist bekannt für Punkte und Kürbisse in unendlich gespiegelten
Räumen: Die japanische Künstlerin Yayoi Kusama, die mit ihren
drastischen Aktionen „Occupy Wall Street“ vorwegnahm, steht auch mit 90
noch jeden Tag im Atelier.
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Verehrter Kürbis: Künstlerin Yayoi Kusama. Bild: Picture-Alliance |
Sie dürfte eine der sehr wenigen Künstlerinnen sein, die mit neunzig noch täglich ins Atelier und in ihr eigenes Museum gehen – direkt aus der Nervenklinik, in der sie aufgrund der Traumatisierung durch ihr Elternhaus und Kriegszwangsarbeit als Dreizehnjährige in einer Fallschirmfabrik seit 1977 lebt, nur über die Straße. Dort steht das von ihr 2017 zusammen mit einer Stiftung gegründete Museum, das als ihr gebautes Alter Ego angesehen werden kann: Exzentrisch überragt der weißbläulich schimmernde Turm mit seinen fünf Stockwerken auf abgeplattetem Parabelgrundriss die meist nur dreigeschossigen Häuser seiner Umgebung der Tokyoter Schlafstadt Shinjuku-ku.
Das Museum, ebenso eigenwillig wie seine
Gründerin mit den meist grellrot gefärbten Haaren, zeigt durch
unjapanisch große Fenstereinschnitte in allen Stockwerken bereits von
außen offen und selbstbewusst wie ein Schaufenster an, dass es
ausschließlich Kusamas Malereien, Skulpturen, Installationen sowie
Videos ihrer inzwischen legendären Happenings präsentiert und die
Künstlerin keinesfalls gewillt ist, in der japanischen Gesellschaft als
Frau grau zu bleiben oder sich hintanzustellen.
Warhol und Oldenburg machten sie bekannt
Dabei galt Kusama wie ihre
Altersgenossinnen Louise Bourgeois, Carmen Herrera oder Maria Lassnig
lange als Prophetin im eigenen Land annähernd nichts; bis in die
achtziger Jahre dauerte es, bevor sie in ihrer Heimat eine wichtige
Ausstellung ausgerichtet bekam. Andy Warhol
und Claes Oldenburg erst mussten sie weltweit über den Umweg New York
bekannt machen, wo sie von 1958 bis 1972 überwiegend lebte.
In diesen
quirligen Nachkriegsjahrzehnten, in denen New York die globale
Kunstführerschaft an sich riss, impfte Kusama sich mit allen am Hudson
ineinanderfließenden Strömungen von Minimalismus und Pop-Art bis zu
einem späten Impressionismus und Surrealismus. Mit ihren vehementen
Aktionen nahm sie 1968 „Occupy Wall Street“ vorweg. Im Verbund mit ihrem
bodenständigen Erststudium an der Kyoto School of Arts and Crafts in
der starkfarbigen japanischen Nihonga-Malerei führt dies zu einem
Eklektizismus, der vordergründig das Klischee eines westlichen
Japan-Bildes überzuerfüllen scheint, zugleich aber im „Clash of
Cultures“ zweier sich vor kurzem noch bekriegender Kulturen etwas
Einzigartiges schafft.
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Polka dots wie Kirschblüten: Ein Teil der Installation „With All My Love for the Tulips, I Pray Forever“ in der Marciano Art Foundation in Los Angeles |
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Die Installation „Rockaway! 2018: Narcissus Garden“ aus 1500 Spiegelkugeln in New York |
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Freilandkürbis „Kabocha“ auf der Kunstinsel Naoshima in Japan |
Am plastischsten ist diese künstlerische
„Fusion Kitchen“ süßsauer wohl in ihren Performancevideos zu spüren, in
denen sich Nackte mit grellroten „Polka-Punkten“ auf den Körpern wie
aufs Äußerste abstrahierte Kirschblüten bewegen, Kusama mithin die alte
japanische Tradition des sich im Bild ungeschützt bis trunken
reflektierenden Künstlers unironisch mit feministischen Aktionen und der
Minimal Art kreuzt. Blieb doch die Wurzel ihrer Kunst anders als in der
verkopften New Yorker Moderne stets die zwar stilisierte, aber konkrete
Natur, etwa wenn sie alraunenartige Riesengewächse modelliert,
Blütenblätter auszupft und ornamental anordnet oder sich selbst als
Blume gewandet in ein van-Gogh-haftes Sonnenblumenfeld einpflanzt.
Vor allem dient
ihr das in Japan hochverehrte Symbol des Kürbisses als zentrale
Metapher ihres Lebens und künstlerischen Schaffens. Oft schwarz
gepunktet, werden die grellorangen Zaubergewächse mittels von ihr so
genannter „Unendlichkeitsspiegel“ unüberschaubar zu Ornamentfeldern
reproduziert und behalten doch auf seltsame Weise eine individuelle
Aura; pseudofröhliche Metaphern des ernsten Lebens sind sie deshalb,
weil im Kosmos der Künstlerin die Punkte für Atome und Wesen zugleich
stehen, die in der Unendlichkeit des Alls buddhistisch kurz aufleuchten,
nur um im nächsten Moment im Nichts aufzugehen.
Mittlerweile in allen größeren Städten und Sammlungen der Welt zu sehen,
teilen diese Installationen Kusamas allerdings das Schicksal der Werke
ihres nur wenige Wochen älteren New Yorker Freundes Claes Oldenburg: Die
einst starke Idee droht hinter dem massenhaft vervielfältigten,
schnellen Wiedererkennungswert der gepunkteten Kürbisgewächse
verlorenzugehen. Dass Yayoi Kusama selbst auch über ihren heutigen
neunzigsten Geburtstag hinaus das bekannte auratische Original bleibt,
daran besteht indes wenig Zweifel.
monopol
Magazin für Kunst und Leben
vom 22.3.2019
Der Eigensinn, mit dem die junge Japanerin Yayoi Kusama sich im New York der 50er-Jahre entgegen allen Trends durchbiss, ist atemberaubend. Von Anfang an legte sie eine zweite Wahrnehmungsebene über die Wirklichkeit. Sie malte monochromatische, potenziell unendliche Netzstrukturen, die frühen "Infinity Net"-Bilder, trug sie durch ganz Manhattan in die Museen – und wieder zurück in ihr Studio, weil sich zu Zeiten des abstrakten Expressionismus niemand dafür interessierte.
In
den 60er-Jahren kamen dann die Punkte dazu, die sie über Menschen,
Objekte und Räume verteilte, manchmal in polizeilich aktenkundigen
Sex-Happenings. Seit ihrer Jugend hatte Kusama unter Halluzinationen
gelitten, aus ihrem eigenen, labilen System der Weltwahrnehmung
entwickelte sie ein einzigartiges Raum- und Körpererlebnis für alle:
"Wenn ich beispielsweise meinen gesamten Körper mit Punkten bemale und
auch den Hintergrund mit Punkten versehe, ist das ein Akt der
Selbstauslöschung."
https://www.monopol-magazin.de/punktsieg-yayoi-kusama
that`s
vom 4.3.2019
Polka Dot Princess Yayoi Kusama on Her Shanghai Show and Seeing Circles
By Sarah Forman![]() |
'Infinity Mirror Room-Phalli’s Field', 1965, Yayoi Kusama © YAYOI KUSAMA |
https://www.youtube.com/watch?v=wKGvzehQ1CA
https://www.youtube.com/watch?v=4RegxhTu748
https://www.youtube.com/watch?v=-4uLeTY3fvk
https://www.youtube.com/watch?v=iT360Glhb9o
https://www.youtube.com/watch?v=-3k-86WrmHQ
https://www.youtube.com/watch?v=rRZR3nsiIeA
https://www.youtube.com/watch?v=yAGUUl38pyQ
https://www.youtube.com/watch?v=RwNBBvAF4xw
https://www.youtube.com/watch?v=H3NdocJ7BHk
https://www.youtube.com/watch?v=9WtEF94zwmM
https://www.youtube.com/watch?v=qjAzNDObUZ8
https://www.youtube.com/watch?v=isRUwZ_Nx-o