Sie ist bekannt für Punkte und Kürbisse in unendlich gespiegelten
Räumen: Die japanische Künstlerin Yayoi Kusama, die mit ihren
drastischen Aktionen „Occupy Wall Street“ vorwegnahm, steht auch mit 90
noch jeden Tag im Atelier.
Sie dürfte eine der sehr wenigen Künstlerinnen sein, die mit neunzig noch
täglich ins Atelier und in ihr eigenes Museum gehen – direkt aus der
Nervenklinik, in der sie aufgrund der Traumatisierung durch ihr
Elternhaus und Kriegszwangsarbeit als Dreizehnjährige in einer
Fallschirmfabrik seit 1977 lebt, nur über die Straße. Dort steht das von
ihr 2017 zusammen mit einer Stiftung gegründete Museum, das als ihr
gebautes Alter Ego angesehen werden kann: Exzentrisch überragt
der weißbläulich schimmernde Turm mit seinen fünf Stockwerken auf
abgeplattetem Parabelgrundriss die meist nur dreigeschossigen Häuser
seiner Umgebung der Tokyoter Schlafstadt Shinjuku-ku.
Das Museum, ebenso eigenwillig wie seine
Gründerin mit den meist grellrot gefärbten Haaren, zeigt durch
unjapanisch große Fenstereinschnitte in allen Stockwerken bereits von
außen offen und selbstbewusst wie ein Schaufenster an, dass es
ausschließlich Kusamas Malereien, Skulpturen, Installationen sowie
Videos ihrer inzwischen legendären Happenings präsentiert und die
Künstlerin keinesfalls gewillt ist, in der japanischen Gesellschaft als
Frau grau zu bleiben oder sich hintanzustellen.
Warhol und Oldenburg machten sie bekannt
Dabei galt Kusama wie ihre
Altersgenossinnen Louise Bourgeois, Carmen Herrera oder Maria Lassnig
lange als Prophetin im eigenen Land annähernd nichts; bis in die
achtziger Jahre dauerte es, bevor sie in ihrer Heimat eine wichtige
Ausstellung ausgerichtet bekam. Andy Warhol
und Claes Oldenburg erst mussten sie weltweit über den Umweg New York
bekannt machen, wo sie von 1958 bis 1972 überwiegend lebte.
Auch mit neunzig noch jeden Tag im Atelier: Yayoi Kusama
In diesen
quirligen Nachkriegsjahrzehnten, in denen New York die globale
Kunstführerschaft an sich riss, impfte Kusama sich mit allen am Hudson
ineinanderfließenden Strömungen von Minimalismus und Pop-Art bis zu
einem späten Impressionismus und Surrealismus. Mit ihren vehementen
Aktionen nahm sie 1968 „Occupy Wall Street“ vorweg. Im Verbund mit ihrem
bodenständigen Erststudium an der Kyoto School of Arts and Crafts in
der starkfarbigen japanischen Nihonga-Malerei führt dies zu einem
Eklektizismus, der vordergründig das Klischee eines westlichen
Japan-Bildes überzuerfüllen scheint, zugleich aber im „Clash of
Cultures“ zweier sich vor kurzem noch bekriegender Kulturen etwas
Einzigartiges schafft.
Polka dots wie Kirschblüten: Ein Teil der Installation „With All My Love
for the Tulips, I Pray Forever“ in der Marciano Art Foundation in Los Angeles
Die Installation „Rockaway! 2018: Narcissus Garden“ aus 1500 Spiegelkugeln in New York
Freilandkürbis „Kabocha“ auf der Kunstinsel Naoshima in Japan
Zaubergewächse im Unendlichkeitsspiegel
Am plastischsten ist diese künstlerische
„Fusion Kitchen“ süßsauer wohl in ihren Performancevideos zu spüren, in
denen sich Nackte mit grellroten „Polka-Punkten“ auf den Körpern wie
aufs Äußerste abstrahierte Kirschblüten bewegen, Kusama mithin die alte
japanische Tradition des sich im Bild ungeschützt bis trunken
reflektierenden Künstlers unironisch mit feministischen Aktionen und der
Minimal Art kreuzt. Blieb doch die Wurzel ihrer Kunst anders als in der
verkopften New Yorker Moderne stets die zwar stilisierte, aber konkrete
Natur, etwa wenn sie alraunenartige Riesengewächse modelliert,
Blütenblätter auszupft und ornamental anordnet oder sich selbst als
Blume gewandet in ein van-Gogh-haftes Sonnenblumenfeld einpflanzt.
Vor allem dient
ihr das in Japan hochverehrte Symbol des Kürbisses als zentrale
Metapher ihres Lebens und künstlerischen Schaffens. Oft schwarz
gepunktet, werden die grellorangen Zaubergewächse mittels von ihr so
genannter „Unendlichkeitsspiegel“ unüberschaubar zu Ornamentfeldern
reproduziert und behalten doch auf seltsame Weise eine individuelle
Aura; pseudofröhliche Metaphern des ernsten Lebens sind sie deshalb,
weil im Kosmos der Künstlerin die Punkte für Atome und Wesen zugleich
stehen, die in der Unendlichkeit des Alls buddhistisch kurz aufleuchten,
nur um im nächsten Moment im Nichts aufzugehen.
Mittlerweile in allen größeren Städten und Sammlungen der Welt zu sehen,
teilen diese Installationen Kusamas allerdings das Schicksal der Werke
ihres nur wenige Wochen älteren New Yorker Freundes Claes Oldenburg: Die
einst starke Idee droht hinter dem massenhaft vervielfältigten,
schnellen Wiedererkennungswert der gepunkteten Kürbisgewächse
verlorenzugehen. Dass Yayoi Kusama selbst auch über ihren heutigen
neunzigsten Geburtstag hinaus das bekannte auratische Original bleibt,
daran besteht indes wenig Zweifel.
Am
heutigen Freitag wird Yayoi Kusama, die bekannteste japanische
Künstlerin der Gegenwart, 90 Jahre alt - und arbeitet weiter an der
Punktisierung der Welt
Der Eigensinn, mit dem die
junge Japanerin Yayoi Kusama sich im New York der 50er-Jahre entgegen
allen Trends durchbiss, ist atemberaubend. Von Anfang an legte sie eine
zweite Wahrnehmungsebene über die Wirklichkeit. Sie malte
monochromatische, potenziell unendliche Netzstrukturen, die frühen
"Infinity Net"-Bilder, trug sie durch ganz Manhattan in die Museen – und
wieder zurück in ihr Studio, weil sich zu Zeiten des abstrakten
Expressionismus niemand dafür interessierte.
In
den 60er-Jahren kamen dann die Punkte dazu, die sie über Menschen,
Objekte und Räume verteilte, manchmal in polizeilich aktenkundigen
Sex-Happenings. Seit ihrer Jugend hatte Kusama unter Halluzinationen
gelitten, aus ihrem eigenen, labilen System der Weltwahrnehmung
entwickelte sie ein einzigartiges Raum- und Körpererlebnis für alle:
"Wenn ich beispielsweise meinen gesamten Körper mit Punkten bemale und
auch den Hintergrund mit Punkten versehe, ist das ein Akt der
Selbstauslöschung."
Ihrer Idee, die ganze Welt mit einem Muster zu
überziehen, liegt weniger ein egomaner Wahn als ein liebevoller und
friedfertiger Gedanke von Gleichheit und Einheit zugrunde. Auf den
ersten Blick mag die Turbovermarktung des Kusama-Looks von Laufsteg bis
Museumsshop dazu nicht recht passen. Auf den zweiten aber schon: Nur
Massenprodukte können helfen, die Welt endlich vollkommen
durchzupunkten.
Yayoi Kusama (geb. 1929) ist sie eine der teuersten Künstlerinnen der Welt und Liebling der Instagrammer.Foto: imago/China Foto Press
Es ist die letzte Möglichkeit zum Gespräch; am nächsten Tag geht sie
für vier Wochen in ihr Retreat. Dafür fährt Ruth Wolf-Rehfeldt nicht ins
teure Spa – sie bleibt einfach vier Wochen lang zu Hause. Den Buddhismus
hat sie nach der Wende entdeckt, zur selben Zeit, als sie aufhörte,
Kunst zu machen. RWR, wie viele sie nennen, sah die Notwendigkeit nicht
mehr. In der DDR
hatte sie mit ihrer grafischen Schreibmaschinenkunst Grenzen
überschritten, Grenzen zwischen Kunst und Poesie, zwischen Ländern und
Systemen. Auch wenn sie selbst nicht nach Mexiko oder New York reisen
konnte, ihre Mail Art flog überall hin. Nun, da die Grenzen offen waren,
stellte sie fest: Es gibt schon so viel Kunst. Warum dann noch mehr?
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Knapp 30 Jahre ist es her, dass sie ihre Laufbahn beendete. Heute ist
die Künstlerin 87 Jahre alt – und wird gefeiert wie nie. Das Museum
Weserburg Bremen hat ihren Vorlass gekauft und einen großen Katalog
zusammengestellt, sie wurde zur Documenta
eingeladen, auf der Art Basel und in Ausstellungen vorgestellt.
Inzwischen hat sie einen Verleger und eine Galerie in Berlin, und am
kommenden Mittwoch widmet das Haus für Poesie in Prenzlauer Berg der
Grenzgängerin einen eigenen Abend.
Es sind oft junge
Leute, die bewundernd vor ihren Arbeiten stehen, welche so modern, so
eigen wirken. Abstrakte „Typewritings“, geschaffen aus getippten
Buchstaben und Zeichen, aus subtilen Botschaften und stillem Humor.
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Ruth Wolf-Rehfeldt (geb. 1932) Die Mail-Artistin aus Ost-Berlin überwand mit ihren „Typewritings“ Grenzen.Foto: Wikipedia / Creative Commons
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Der Weg zu RWR führt am Autohändler und an Kleingärten vorbei. In ihrer
winzigen Küche in Französisch Buchholz rührt sie den Nescafé an, mit
dem es ins vollgestopfte Wohnzimmerchen geht. Die Künstlerin macht nicht
den Eindruck, als hätte der späte Ruhm ihr Lebensglück entscheidend
verändert. Als das Gespräch auf die Documenta 2017
kommt, schwärmt sie vor allem von den schönen Spaziergängen in
Wilhelmshöhe. Wobei schwärmen fast schon übertrieben ist. RWR ist eine
zurückhaltende Person – ihr Mann Robert Rehfeldt, der 1993 verstorbene
Pionier der Mail Art in der DDR, der sie zur Kunst ermutigt hat, war der
Extrovertierte.
Ruth Wolf-Rehfeldt war nicht die einzige ältere Dame auf
der 14. Documenta. Dort konnte man auch die damals 91-jährige Geta
Bratescu entdecken, die experimentierfreudige Rumänin, die sich mit
ihrem vielseitigen Werk von Performance bis Bildhauerei dem Diktat des
sozialistischen Realismus verweigerte. 2018 widmete ihr der Neue
Berliner Kunstverein eine Solo-Show.
Geta Bratescu (1926-2018) Die vielseitige Rumänin experimentierte mit Performances, Cut-outs und Skulpturen.Foto: Stefan Sava
Die Damen liefern fette Kost
Es gab eine Zeit, noch gar nicht so lange her, da konnten die Künstler
gar nicht jung genug sein. Galeristen fischten sie von der Hochschule
weg, pushten sie hoch und verheizten sie oft. Und jetzt? Sind die
Seniorinnen dran. Die Liste derer, die erst spät oder posthum geehrt
werden, ist lang: Christa Dichgans, Jeanne Mammen, Eva Hesse, Anita Rée, Alice Neel … Selbst Louise Bourgeois und Maria Lassnig
wurden erst im Rentenalter zu den Superstars, die sie heute sind.
Performancekünstlerin Takako Saito hat mit 88 ihre erste Retrospektive
bekommen, Rose Wylie wird mit 84 als Junge Wilde gefeiert.
Christa Dichgans (1940-2018) gilt als „Grande Dame der deutschen Pop-Art“. Aus dem Alltag machte sie Kunst.Foto: Jan Bauer
Gründe dafür gibt es fast so viele wie Artistinnen. Das fängt damit an,
dass das Interesse an Kunst insgesamt seit Jahren boomt, sodass ständig
neues Futter benötigt wird. Und die Damen liefern fette Kost: ein
unbekanntes, überraschendes Œuvre. Sie haben nicht nur einzelne Werke,
sondern ein ganzes, reifes Werk vorzuweisen.
Davon profitieren
jetzt, zum 100. Geburtstag, auch endlich die Bauhausfrauen, denen sich
auffallend viele Bücher, Fernsehfilme und Ausstellungen widmen. Über
Gropius ist eigentlich alles gesagt. Über Anni Albers nicht. Besucher
ihrer Solo-Show, die im letzten Jahr erst im Düsseldorfer K20,
anschließend in der Londoner Tate Modern lief, waren verblüfft von ihrer
ebenso abstrakten wie sinnlichen Textilkunst, deren Vielfalt und
Offenheit gegenüber Inspirationen.
„Frauen malen nicht so gut“
Anders als die Jungen hatten die Alten Jahrzehnte Zeit, ihr Werk zu
entwickeln. Jahrzehnte, in denen sie kaum oder gar nicht beachtet
wurden. Weil sie im Schatten der Männer, nicht selten ihrer eigenen,
standen, weil sie keiner Schule angehörten, jenseits der aktuell
angesagten Trends arbeiteten. Weil sie, ganz einfach: Frauen waren. Die
es bis heute ungleich schwerer haben, ins Museum zu kommen. Vorurteile
halten sich hartnäckig. Noch 2013 erklärte Georg Baselitz im „Spiegel“,
„Frauen malen nicht so gut“. Und wer Kinder bekommt, hat es selbst im
21. Jahrhundert schwer, als Künstler ernst genommen zu werden. Für junge
Väter gilt das nicht. Auch deswegen haben es die Alten einfacher: Sie
sind aus dem gebärfähigen Alter raus.
Was allen Frauen hilft, ist
der Aufstieg der Kuratorinnen an die Spitze vieler Institutionen. So
hat die Direktorin der Tate Galleries gerade entschieden, in der
Ausstellung britischer Kunst seit 1960 für mindestens ein Jahr nur
Künstlerinnen zu zeigen. Ihr ging die Wiederentdeckung nicht schnell
genug.
Im Nachhinein gereicht den Künstlerinnen die frühere
Nichtbeachtung durchaus zum Vorteil. Denn frei vom Druck des
Kunstbetriebs machten sie einfach, was sie für richtig hielten und
nicht, was erwartet wurde. Jetzt werden sie bewundert für die
Hartnäckigkeit, mit der sie ihre eigene Sache betrieben. So wie Carmen Herrera,
die die „New York Times“ 2009 auf der Titelseite als „The Hot New Thing
in Painting“ ankündigte. Dabei hat die kubanischstämmige New Yorkerin
mit 89 ihr erstes Bild verkauft. Mit 103 malt sie immer noch ihre
radikal reduzierten Werke, geometrische Abstraktion mit nie mehr als
zwei Farben. Ermöglicht hat ihr dieses Leben ihr Mann, der als
Englischlehrer das Geld verdiente und sie bat, keinen Brotjob
anzunehmen, sondern zu Hause zu bleiben und Kunst zu machen.
Carmen Herrera (geb. 1915). Die kubanischstämmige New Yorkerin verkaufte mit 89 Jahren ihr erstes Bild.Foto: picture alliance / Adriana Lopez Sanfeliu
Je oller, desto doller die Rezeption. Die Geschichte der 103-Jährigen,
die nach wie vor malt, ist natürlich auch genau das: eine großartige
Geschichte. Die das Feuerwerk erst richtig entfacht. So wie der
spektakulärste Fall der posthumen Auferstehung – Vivian Maier,
die als Kindermädchen in den USA fantastische Street-Fotografie
betrieb, Tausende von Aufnahmen machte, sie aber niemandem zeigte. Durch
einen Zufall wurde ihre Arbeit 2007 entdeckt.
Als
Außenseiterinnen, nicht selten auch Autodidaktinnen, entwickelten die
Künstlerinnen zudem einen anderen Blick auf die Welt. Ein Blick, der
heute auf mehr Interesse stößt als noch vor einem halben Jahrhundert.
So wie Ingrid Wiener. Gerade ist ein Buch über die Österreicherin
erschienen, geschrieben von der jungen Berliner Autorin Carolin Würfel,
deren Bewunderung der Frau so sehr wie der Künstlerin gehört. „Ingrid
Wiener und die Kunst der Befreiung“ (Hanser Berlin) schildert das Leben
einer pragmatischen Bohemienne.
Als Teenager ging Wiener zu einem
Zuhälter, um zu lernen, wie guter Sex funktioniert (eine enttäuschende
Recherche); als junge Textilkünstlerin webte sie erst mal Teppiche für
Friedensreich Hundertwasser, nach dessen Bilder-Vorlagen, die dieser
unter seinem Namen verkaufte. „Wir wollten nicht berühmt werden“, sagt
Wiener heute, „wir wollten Geld verdienen.“
Ingrid Wiener (geb. 1942). Die Wiener Köchin und Künstlerin (in der Mitte) wird gerade als bodenständige Bohemienne entdeckt.Foto: picture-alliance / SCHROEWIG/Gud
Das hat sie zwischendurch auch gemacht, indem sie sich an den Herd
stellte, erst im legendären Kreuzberger Künstlerlokal „Exil“, später in
Dawson City, der Goldgräberstadt, wo sie mit ihrem Künstlergatten Oswald
Wiener ein Hotel betrieb. Zwischendurch zog sie die Schürze immer
wieder aus, um ihre Gobelins zu weben, in denen sie Alltagsdinge wie
Gurken, Quittungen und Einkaufszettel verwob. Dann ging’s zurück an den
Herd, österreichische Speisen kochen, was für sie keine Strafe, sondern
ein Vergnügen war. Stieftochter Sarah Wiener hat bei Ingrid gelernt.
Kunst von Yayoi Kusama ist heute Millionen wert
Kurzer, grauhaariger Wuschelkopf, kullerrunde Brille, strahlende Augen,
bunt karierte Schuhe – bei den Buchpräsentationen vorletzte Woche in
Berlin kichert die 76-Jährige wie ein junges Mädchen, wenn sie aus ihrem
reichen Leben erzählt. Das junge Publikum liegt ihr buchstäblich zu
Füßen, Dussmann hat ein Schaufenster mit dem Buch gefüllt, eine Woche
lang gibt sie jeden Tag ein Interview. Auf die Frage, ob sie bedauert,
nicht früher Anerkennung gefunden zu haben, antwortet Wiener mit einem
österreichischen „Naa!“. Wobei ihre Gelassenheit, genau wie die von Ruth
Wolf-Rehfeldt, vielleicht auch mit den geringen Erwartungen zu tun hat,
die an sie als Mädchen gestellt wurden.
Der plötzliche Boom der Oldies hat natürlich etwas mit den neuen
Kanälen zu tun, über die Vergessene jenseits der Kunstkritik
Aufmerksamkeit bekommen. Prominentestes Beispiel: Yayoi Kusama, die als
Japanerin im New York der 60er Jahre mit ihren ungewöhnlichen Skulpturen
zwar beachtet, aber für ihren Geschmack schwer unterschätzt wurde und
nach einem Nervenzusammenbruch in ihre Heimat zurückkehrte. Heute, mit
89, gilt sie als eine der teuersten Künstlerinnen der Welt, kostet ein
Bild nicht mehr 75 Dollar, sondern schon mal sieben Millionen.
Anni
Albers (1899-1994). Die Bauhauskünstlerin (hier mit Ehemann Josef) ist
durch ihre abstrakten Teppiche und Textilien bekannt.Foto: picture alliance/AP Images
Die Mutter hat ihr das Zeichnen als Kind einst verboten und Bilder
zerrissen. Das Selbstbewusstsein der Tochter zu zerstören gelang ihr
nicht: „Es gibt nichts, was ich nicht ausdrücken kann.“ Allein im
letzten Jahr hatte die Künstlerin fünf große Einzelausstellungen, ein
eigenes Museum hat sie auch. Gegenüber von der Nervenklinik, in der sie
seit 40 Jahren freiwillig wohnt, das heißt vor allem schläft, weil sie
von morgens früh bis abends spät in ihrem Atelier arbeitet – die Kunst
empfindet sie als Schutzschild gegen die Krankheit. Während die Kritiker
noch darüber diskutieren, ob ihre Arbeit nun gefällig ist, ein
existenzieller Schrei der Verzweiflung oder ein einzigartiges Beispiel
der Konzeptkunst, haben die Instagrammer längst ihre Bilder gepostet.
Für die sozialen Medien ist die schillernde Kusama wie geschaffen. Auf
Fotos kann man gar nicht sagen, wo die Künstlerin aufhört und ihre Kunst
anfängt. Sie malt knallbunte dicke Punkte und trägt knallbunte dicke
Punkte, passend zum knallroten Pagenschnitt.
Bekanntmachen allein reicht nicht
Kusama ist bei David Zwirner unter
Vertrag, Nummer 1 unter den Kunsthändlern, der auch die Nachlasse von
Anni Albers und Alice Neel betreut, die mit ihrem eigenwilligen,
politischen Realismus in den letzten Jahren Furore machte. Denn auch das
fördert die weibliche Attraktivität: dass die Steigerungsraten der
Preise großes Potenzial haben. Unter den 50 teuersten Künstlern der Welt
findet sich bisher keine einzige Frau. Für die Ausstellungsmacher
wiederum bedeuten die niedrigeren Preise, dass auch die
Versicherungssummen nicht so astronomisch sind – daran scheitert sonst
so manche Schau.
Eva Hesse (1936-1970). Die deutsch-amerikanische Bildhauerin schuf große Skulpturen aus Kautschuk und Polyester.Foto: bpk/Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie/Hermann Landshoff
Dass die Frauen überhaupt vergessen wurden, hängt nicht zuletzt mit den
Brüchen ihrer Biografien zusammen, den privaten wie den politischen. Lotte Laserstein
zum Beispiel, deren kraftvolle Porträts der Neuen Sachlichkeit Kritiker
und Besucher des Frankfurter Städel-Museums entzücken (ab April ist die
Ausstellung in der Berlinischen Galerie zu sehen), musste in den 30er
Jahren ins schwedische Exil fliehen. Dort hat sie zwar überlebt – aber
um den Preis der künstlerischen Unabhängigkeit. Sie schlug sich vor
allem mit gefälligen Auftragsarbeiten durch.
In Berlin konnte man Lotte Laserstein schon 2003 in einer
großen Ausstellung entdecken. Dank des Verborgenen Museums, in dem zur
Zeit eine viel gelobte Ausstellung der in die Niederlande emigrierten Fotografin Maria Austria
zu sehen ist. Die Charlottenburger Institution hat sich schon vor mehr
als 30 Jahren zur Aufgabe gemacht, was heute en vogue ist: vergessene
Künstlerinnen, vor allem Fotografinnen, wieder in den Fokus zu rücken.
Nicht nur mit einzelnen, aufregenden Ausstellungen, sondern
langfristigen Forschungen und internationalen Kooperationen. Denn
Bekanntmachen allein reicht den Museumsmacherinnen nicht, Bekannthalten
heißt die Herausforderung. Auch wenn der Andrang von Studenten und
Journalisten in den letzten Jahren spürbar gestiegen sei, könne es noch
immer passieren, dass Künstlerinnen in Lexika einfach fehlen. Was wohl
passieren würde, wenn die Männer rausflögen?
dieses mal nicht heutige Werke besucht, sondern Alte Meister bis 20.Jh. Die Kunst der Gegenwart - aus der Sammlung der Kunsthalle - muß warten bis zum nächsten Besuch. Am Abend gab es stattdessen Nigel Kennedy and friends.
Nigel Kennedy and friends in der Laeiszhalle Hamburg am 14.3. Bach, Eigenkomposition und Gershwin verjazzt. Viele Vorhänge, mehrere Zugaben, standing ovations.
Auftritt Kennedy im Prol.outfit mit Punkfrisur und neongelben Sportschuhen and a cup of tea.
Der Bach spielende Punk mit der 6 vor der 2, göttlicher Violonist und Fußballfan. Enfant terrible der Klassik.
....... Interval .......
Auftritt nach der Pause: Kennedy and friends in Fußballshirts.
Kennedy meets Gershwin
Ein voller Saal, tobendes Publikum. Und Kennedy liebt sein Publikum, redet mit seinem Publikum, ist ganz dicht dran und gibt am Ende einer alten Dame ein Autogramm am Bühnenrand. Begonnen hat er mit Bach und spielt ihn - ohne Noten - einfach so, mit einer Leichtigkeit als wäre es Torteessen. Geendet hat er nach 2 Stunden Konzert und 3 Zugaben, u.a. mit einem Django Reinhardt-Titel und keinerlei Ermüdung. Eine echte ‘Rampensau‘.
Aus Anlass der 15. Wasserspiele 2018 hatte
das Multikulturelle Centrum Templin zum internationalen Mail Art-Projekt
aufgerufen und Künstler und Künstlerinnen eingeladen, mit Postkarten an
dem Projekt teilzunehmen.
Mehr als 200 Teilnehmer aus 30 Ländern
reichten ihre Werke ein. Die Bandbreite der Ausdrucksformen und Inhalte
reicht von Karikaturen bis hin zu politischen und philosophischen
Statements, klassische Malerei, Grafik und Zeichnung sind ebenso
vertreten wie Fotografie, Objekt und Collage.
2. Ausstellung "Wasserzeichen" vom 20.02. bis 12.04.2019 in Prenzlau, Georg-Dreke-Ring 62, Hauptstelle der Sparkasse Uckermark.